Wie du eine Wochenbettdepression nach der Geburt erkennen kannst
In diesem Beitrag geht es um das Tabuthema „Depression nach der Geburt“ (auch genannt Wochenbettdepession, postnatale Depression, Baby Blues und Heultage) – wie du Anzeichen erkennst und was hilft.
Wochenbettdepression: im Gespräch mit der Expertin Dr. Marjorie Kinney
Zum Thema Wochenbettdepression habe ich mir die Expertin Dr. Marjorie Kinney eingeladen. Marjorie ist Dr. der Psychologie, Klinische Psychologin, Hypnotherapeutin, Dozentin, Coach und Hypnobirhtingkursleiterin. Dr. Marjorie Kinney hilft Frauen präventiv, sodass es im besten Fall zu gar keiner Wochenbettdepression kommt und wenn es doch passiert, als Frau und Familie bestmöglichst damit umzugehen.
13-15 % aller Frauen weltweit erleben nach der Geburt eine Wochenbettdepression. Das bedeutet jede 5. Frau ist betroffen. Auch Männer können eine Wochenbettdepression bekommen – doch vor allem in Deutschland ist es bis heute ein Tabuthema. Darum sprechen wir heute darüber.
INHALT
Was ist eine Wochenbettdepression?
Dr. Marjorie Kinney: Es ist eine Art Spektrum. Auf der einen Seite haben wir den in Deutschland den sogenannten „Babyblues“, auch genannt „Heultage“. Es kommt sehr häufig vor, das ca. 3 Tage nach der Geburt eine Frau die ein oder zwei Tage, die sogenannten „Heultage“ hat. Das ist ganz normal. Woher es kommt, wissen wir bis heute noch nicht. Vermutet wird, dass es von dem großen Schwung Hormone kommt. Es hängt auch damit zusammen, das, wenn sich eine Frau entscheidet zu stillen, es wehtun kann für ein paar Tage und zeitgleich werden die Frauen am 3. Tag aus der Klinik entlassen. Auch die ersten Nebenwirkungen des Schlafmangels stellen sich ein. Das alles kommt zusammen. Dann rutschen wir in einen Babyblues.
Der Babyblues könnte bis zu zwei Wochen dauern. Das bedeutet, dass eine Frau weinen muss, mehr oder weniger isst als normal und müde ist. Sollte diese Phase länger als zwei Wochen dauern, wird es als postnatale Depression, also Wochenbettdepression, bezeichnet.
Was sind Anzeichen?
Dr. Marjorie Kinney: Ängste und Sorge über ein neugeborenes Baby sind ganz. Doch dies kann zu weit gehen, wenn die Mutter zum Beispiel wirklich nicht schlafen kann. Oder im Winter das Baby viel zu warm anzieht, aus Angst um das Baby.
- Wenn das Baby schläft und die Mutter einfach nicht schlafen und entspannen kann
- Wenn sich die Mutter extrem viele Sorgen um ihr Baby macht. Zum Beispiel, ob es warm genug angezogen ist oder sie alle 30 Minuten nach dem Baby schauen muss
- Die Mutter selbst ist isoliert, geht nicht mehr dem nach, was ihr sonst Freude macht (Hobby, Tätigkeiten, Beruf usw.)
- Keine Freude mehr am Leben
- Die Mutter genießt das Leben nicht mehr
- Die Mutter findet keine Freue in ihrem Kind
Was können Auslöser sein?
Dr. Marjorie Kinney: Es gibt mehrere Faktoren, die zusammen kommen.
- Soziale Unterstützung: Wenn eine Frau alleine ist, oder mit jemand zusammen ist, der sie nicht genug unterstützt, dann ist das ein hoher Risikofaktor.
- Wenn jemand schon eine depressive Phase im Leben hatte, ist das auch ein sehr großer Risikofaktor. Durch Achtsamkeit und Meditation kann ich dem Vorbeugen.
Was kann ich tun?
Dr. Marjorie Kinney: Der erste Schritt ist immer mit jemanden darüber zu sprechen. Wir müssen das nicht verstecken! Wir könnten zu unserem Partner, Mutter oder unserer besten Freundin sagen: „Ich mache mir so viele Sorgen, ich kann nicht schlafen! Es geht mir ganz schlecht!“. Das laut zu sagen, bringt schon mal Erleichterung. Der zweite Schritt ist, zu sagen:
„Ich schaffe es nicht mehr alleine.“
Musst du auch nicht. Was wirklich toll ist: Es gibt unglaublich viele Organisationen und Menschen die ganz genau diese Situationen kennen. Für sie ist das gar nichts Neues. Und die freuen sich, wenn jemand anruft und sagt: „Ich bin eine neue Mutter und ich weiß nicht was zu tun ist!“.
Zum Beispiel gibt es die Website Schatten und Licht, Schreiambulanzen in der Kinderklinik aber auch der Kinderarzt oder die Kinderärztin anzusprechen.
Wie oft kommt das vor?
Dr. Marjorie Kinney: Es ist leider so ein Tabuthema. Obwohl es so häufig vorkommt. 13-15 % Frauen auf der ganzen Welt haben eine Depression nach der Geburt. Das ist jede 5. Frau. Und trotzdem, ich sage das aus Ausländerin, als Amerikanerin ist es leider hier in Deutschland ein so großes Tabuthema. Und es kann sein, dass du dich nicht traust, mit deiner engsten Familie zu sprechen oder die das ungern hören. Aber deshalb gibt es Profis. Die kennen das.
Was ist der schlimmste Fall, wenn ich nichts mache?
Dr. Marjorie Kinney: Das ist etwas, was mich sehr erschüttert hat bei der Forschung. Im schlimmsten Fall – also ganz krass – ist, dass eine Mutter einen Wahn entwickeln könnte. Und aus Angst um ihr Kind, ihr eigenes Kind umbringen kann. Ich weiß, das ist sehr heftig zu hören. Aber das kann tatsächlich passieren. Also wenn wir das in den Nachrichten hören, fragen wir uns: „Wer könnte sowas machen?“. Aber in solchen Momenten ist ein Mensch psychisch krank und denkt, dass sie oder er das Beste für das Kind tut. Das wäre das Schlimmste.
Wenn ich eine Stufe zurückgehe, und sage, okay es kommt nicht zu einem Wahn. Also einer Vorstellung von Sachen, die nicht da sind – das ist ein Wahn. Was ich sehe, als Psychologin ist, sehr, sehr früh im Leben – und ich spreche von 6 Wochen nach der Geburt – fängt ein Baby an, die Emotionen der Mutter zu spiegeln. Und wenn ich eine Mutter habe, die sehr depressiv ist, hat sie eine Art „Steingesicht“ und das Baby spürt das und fängt an, das nachzumachen. Und das Gehirn des Babys schreibt eine Art Schablone. Das passiert sehr schnell im Leben, denn unser Gehirn im ersten Lebensjahr entwickelt sich rasant. Gesunde Babys lernen von Müttern, die gesund sind, sich selbst besser zu regulieren. Sie sind mal traurig, mal lachen sie. Sie lernen besser zu schlafen, weniger zu weinen. Aber nach 6 Wochen fängt das Baby an, bei depressiven Müttern, dass die Babys das nicht so gut lernen. Und dann kann ich sagen, was ich sehen werde, wenn sich nichts ändert – und zwar schnell ändert – nach etwa 9 Monaten werden das Kinder, die eine nicht so enge Beziehung zu ihrer Mutter haben. Kinder, die, wenn sie älter sind, ein höheres Risiko haben, selbst depressiv zu sein. Weniger Freunde zu haben, nicht so leistungsfähig in der Schule sein.
„Wenn du für dich selbst nicht Hilfe holen willst, dann tue es für dein Kind.“
Hole dir bitte Hilfe. Es ist so einfach! Man redet mit jemanden darüber. Es fühlt sich meistens super gut an, das offen zu besprechen.
Was kann ich als Außenstehender tun?
Dr. Marjorie Kinney: Dein Körper hat sich geändert. Dein Leben hat sich geändert. Deine Beziehung zu deinem Partner und allen Außenstehenden hat sich geändert. Wenn ich damals gewusst hätte: Das ist ganz normal! Es ist okay, wenn es mir ein paar Tage nicht gut geht. Oder vielleicht länger. Manchmal habe ich gute, manchmal schlechte Tage. Und wenn ich eine gute Freundin gehabt hätte, die sagt: „Du, ich sehe das du leidest. Du hast Schlafmangel. Willst du darüber reden?“ Dann wäre vielleicht eine ganz andere Situation für mich.
Was auch noch extrem wichtig ist: Niemand ist daran schuld, wenn jemand eine Depression entwickelt. Wir haben Vermutungen woher es kommt, aber wir wissen es nicht. Aber: Du bist nicht Schuld daran. Wenn es geschieht, geschieht es. Dann musst du dir Hilfe holen. Aber es ist nicht deine Schuld.
Was empfiehlst du frisch gebackenen Mamas?
Dr. Marjorie Kinney: Frage dich: Was tut dir selbst gut? Lass die Scheinwelt weg. Tue nicht so, als ob du die beste Hausfrau bist. Denn es ist egal, ob die Wäsche gemacht ist. Ob das Geschirr gemacht wurde. Wenn das Baby schläft, sollst du auch schlafen, wenn dir das guttut. Es gibt andere, die sagen: „Wenn meine Wohnung aufgeräumt ist, dann tut mir das gut, das brauche ich.“ Super, dann mach das. Wichtig ist, von Anfang anzusagen: Mein Baby braucht viel, aber ich brauche auch viel.
Frauen bekommen oft Schuldgefühle. Zum Beispiel, wenn sie sagen: „Ich würde so gerne wieder arbeiten gehen, aber mein Baby ist noch so klein“. Ich sage den Frauen dann: „Wenn das dir guttut, dann tut das deinem Kind auch gut. Denn du bist glücklicher. Ausgeglichener.“ 24 Stunden mit einem Kind zu verbringen, wenn du tot unglücklich bist, bringt gar nichts.
Sind Männer auch betroffen?
Dr. Marjorie Kinney: Ja. Und da haben wir extrem wenig Wissen darüber. Weil, wenn wir uns vorstellen, es ist schon ein Tabuthema für die Frauen, so gibt bei den Männern noch weniger Männer, die sich melden. Alles ist einfach anders nach der Geburt. Es ist so eine Anpassungszeit. Eine sehr sensible Zeit. Vor allem für Frauen, weil sie viel körperlich durchmachen. Aber auch für Männer. Ich glaube, es ist auch die Lebensveränderung. Männer sagen: Ich fühle mich alleine. Meine Partnerin ist nur da für das Kind. Sie hat nur Augen für das Kind. Ich bin einsam. Das kann leicht passieren.
Warum ist das Thema so wichtig?
Dr. Marjorie Kinney: Wenn wir präventiv arbeiten, muss es nicht so weit kommen. Aber wenn der Zug abfährt, ist es schwer zu ändern. Für mich ist wichtig zu sagen: a) Es ist okay. So viele Leute entwickeln eine Depression. Du musst dich dafür nicht schämen. Und b) Es gibt Hilfe. Man muss nicht alleine kämpfen. Und c) wenn wir das früh genug erkennen, dann muss das Kind auch nicht darunter leiden. Und ich will, dass jedes Kind die gleichen Chancen hat, ein glückliches, ausgeglichenes Leben zu haben. Das kann sein, dass wir nach 6 Wochen wirklich intervenieren müssen in seinem Leben. Und das ist okay. Aber ich möchte das an meine Kinder weitergeben, dass es so eine einfache Sache ist, darüber zu sprechen.
Die Wochenbettdepression aus astrologischer Sicht
Astrologisch können die Lebenszyklen (Transite), das Solarhoroskop (zum Beispiel das Skorpion Jahr) oder der Sekundäre Mond (auch die Dunkelmondphase) auf die Wochenbettdepression hinweisen. Eine astrologische Beratung kann helfen, das Thema aufzudecken, sich selbst besser zu verstehen, Antworten zu bekommen und dann gezielt mit einer Fachstelle zu bearbeiten.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Dr. Marjorie Kinney für das wertvolle Interview.
Wo du Hilfe findest
- Schreiambulanzen in der Kinderklink deiner Stadt
- Deinen Kinderarzt / Hebamme ansprechen
- Psychologen / Therapeuten in deiner Stadt aufsuchen
- https://schatten-und-licht.de
Kontakt zu Dr. Marjorie Kinney: www.starksanft.com